Sonntag, 28. Juli 2013

Knast...Ort der Wahrheit? Ort des NichtMehrWegLaufenKönnens...

Jetzt...es ist 1:30, schlägt gerade die Stunde der Wahrheit im Knast.
Wenn die Türen geschlossen sind und keine Geräusche mehr aus den anderen Hafträumen die Gefühle ablenken können, dann drängen Fragen brutal in lieb gewordene Verdrängungen.
Bis 23:00 mag man noch an den Plänen für „Nachher“ gefeilt haben, mag man die Kontakte des Hofganges ausgewertet haben, mag man gute Ideen für´s Punktesammeln gehabt haben, um demnächst als Vertrauenswürdig zu gelten.
Doch spätestens um 0:00 fällt das Kartengerüst und eine verborgene Träne weiß nicht wohin...

Auch wir Gutbürger hier draußen erkennen manchmal den Knast, der sich um unser gut gehütetes Leben aufbaut.
Es ist, als würden manche Türen zu echtem Leben verschlossen bleiben.
Es ist, als wäre man gefangen in unabänderlichen Abläufen.
Es ist, als würden Wächter nicht zulassen, dass wir das Haupttor durch schreiten, als freie Bürger des Lebens.
Doch das Leben ist möglich, wenn ich mich auf das größte Wagnis einlasse.
Wenn ich mich einlasse, bedingungslos zu lieben.
Wenn ich es wage, verschwenderisch großzügig beim Vergeben zu sein.
Wenn ich es wage, nichts nach zu tragen, statt dessen immer wieder neu zu hoffen.
Wenn ich das Beleidigtsein als Ballast erkannt habe.

Dann, nur dann gelingt das, worum Philosophen und Staatsmänner sich vergeblich bemühen – dann gelingt das Leben!

...sogar das Leben im Knast.

Gisela Henning

Dienstag, 9. Juli 2013

Christopher Streetday - Herr Gott hat sich angemeldet

...Herr Gott hat sich angemeldet?



Das Vorbereitungskommite´ des CSD 2013 erhielt eine sonderbare Anmeldung:
Teilnehmer: Herr Gott
Wohnort: Obdachlos
Konfession: ohne
Geschlecht: sehr männlich, hübsch weiblich und vieles dazwischen

Diese Anmeldung wird im Bundestag heiß und hemmungslos diskutiert. Die CDU stellt den Antrag auf Auslöschung. Ein gewisser Bürgermeister, bei dem alles gut sei, beginnt sich für diesen Herrn Gott zu interessieren...ob dieser Herr etwas mit den hiesigen Kirchen zu tun haben könne?
Ein gewisser Franziskus lächelt versonnen...sollte noch Hoffnung bestehen?
Eine ostdeutsche Wessifrau, die gerne farbige Köstümchen im Queensstil trägt und die Hände auf Anraten ihres Imageberaters zur Herzform faltet, entlässt folgenden Satz aus ihrem wahrheitsliebendem Mund: Wir werden global denken und mit vielen zusammen arbeiten.
Gewisse männliche Geheimbünde, die an der An-sich-Reißung der Weltherrschaft arbeiten, werden nervös. Könne man diesen Herrn Gott als IM gewinnen oder solle er einem mysteriösen Verkehrsunfall zum Opfer fallen?
Verschiedene evangelikale, katholische und freikirchliche Menschenmassen graben hektisch in ihren Gesetzbüchern, ob der CSD überhaupt von ganz oben her genehmigt sei und ob das Ansinnen dieses Herrn vielleicht ein höllenwürdiges Vergehen sei.
Da diese Debatte weltweit übertragen wird, erreicht die Nachricht einen alten Extaliban aus Kandahar, einen Lusthaber des Bacha Basi. Ihm gehen zwei Möglichkeiten durch den Kopf: Totschlagen oder Selber-Machen.
Da schob sich das Gesicht des Herrn in meinen Traum. Mit keuztrauriger Stimme begann er zu reden: 
Kindlein, ich habe euch lieb. Warum verschließt ihr in den Tiefen eurer Seele, was euch damals getötet hat, was euch nie frei werden ließ. Warum schlagt ihr auf alles, was euch daran erinnert. Warum jagt ihr euren Hass auf bunte Fahnen, auf Aufbegehrende.
Kindlein, ich möchte heilen und befreien. Kommt zu mir, die ihr mühselig und beladen seid.

Da riss mich eine Nachrichtenstimme aus meinem gerade schön werdenden Traum:
Ein junges homosexuelles Pärchen wurde von der iranischen Polizei in einem Gebüsch bei todeswürdigen Handlungen erwischt. Auf der Wache nahmen sich alle anwesenden Männer der „Sache“ an und schwitzten dabei.

Wird es nicht Zeit, diesem Herrn Gott den Zutritt zu unseren Veranstaltungen und unseren Herzen zu gewähren!


Gisela Henning

Sonntag, 7. Juli 2013

Gott im Heimathafen

Gott im Heimathafen

Gestern war Gott sicher unbemerkt in die Probebühne des Neuköllner Volkstheaters Heimathafen am Pier 9 geschlüpft, um das Stück


Und jetzt bitte in die Kamera“ zu erleben.
Der syrische Autor Mohammad Al Atta nimmt das Puplikum, dass gerade aus dem lebendig-bunten Hauptstadttreiben kommt, mit in eine Welt, die wir gern in unsere TV-Geräte gesperrt ließen. Syrien – Gewalt – Angst – weltweite Unruhen


Damaskus 2012. Noura entscheidet sich, die Erfahrungen von Gefängnisinsassen des Assad-Regimes mit der Kamera zu dokumentieren. Es soll ihr Beitrag zur Revolte werden. Doch was bedeutet „dokumentieren“ in dieser Situation? Durch die Kamera verschwimmt die Grenze zwischen Realität und Fiktion. Die persönlichen Erzählungen fordern mehr von Noura als erwartet und sie ist hin- und hergerissen zwischen Idealismus, Neugier, Empathie und wachsender Angst. Die Auseinandersetzung mit den Häftlingen einerseits und ihrer gutbürgerlichen, regimetreuen Familie andererseits lassen sie ahnen, welche brutalen Konflikte noch bevorstehen. Wie weit wird sie gehen?“

Ich war übrigens auch in der Probebühne und hatte das Gefühl, als säße Gott direkt neben mir.
Alle meine mitgebrachten Klischeevorurteile über politisches Theater musste ich schnell entsorgen.
Ich habe großes Theater erlebt, dass unter die Haut, direkt in die fragende Seele geht.

Da sagt ein junger Mann vor der Kamera, dass er gerade in dieser schrecklichen Situation der Ohnmacht und des Leidens erstmalig so klare Gedanken gehabt habe wie nie zuvor.
Es hört sich für mich bekannt an, wenn er entdeckt, dort unter Schmerzen leidend und allein komme er zu unfassbar neuen Gedanken über sich selbst.
Auch der Hass gegenüber seinen Folterknechten hielte sich merkwürdigerweise in Grenzen.
Er begreife etwas von der Gefangenschaft auch der Wärter in einem Schreckenssystem.

Auch hier in Berlin sitzen viele Menschen in Gefängnissen fest: in JVA´s, in unheilbaren Krankheiten, in zerbrochenen Lebenskonzepten... oder in der Psychiartrie.
Es kommt manchmal der Punkt, an dem Menschen entweder zerbrechen oder mutig ganz neue Fragen stellen. Ich glaube, dass Gott in solchen Momenten ganz nahe ist.
Aus meiner ehrenamtlichen Arbeit in einer Berliner JVA weiß ich, dass dort auch manchmal die Frage nach Gott nicht mehr umgangen werden kann...

In dem Stück landet Noura am Ende selbst im Gefängnis, wo sie ihr älterer, gut gestellter Bruder dank seiner Beziehungen besuchen darf. Die Geschwister geraten wie gewohnt auch dort aneinander, haben das Gefühl Einer verstehe den Anderen nicht.
Noura schleudert dem Bruder heftig erregt entgegen: Vielleicht sollte unsere ganze Familie mal hier her kommen...vielleicht könne man dann endlich mal über die Dinge reden, die mit so viel Mühe vertuscht wurden.

Ich selbst würde gern mal mit Gott über den „Arabischen Frühlig“ reden, oder über Kinderhospitze, oder über Hiob...
Und ich würde auch gern mit all den Menschen reden, die keine Ahnung von der revolutionären Kraft der Liebe Gottes haben.
Die Liebe, die heilen und so verändern kann, dass Wahrheit-erkennen und -sagen zur Befreiung werden kann.
Also ich denke, dass Gott auch im Theater sitzen kann oder im Knast oder bei dir im Wohnzimmer.

Gisela Henning