Gott im
Heimathafen
Gestern war
Gott sicher unbemerkt in die Probebühne des Neuköllner
Volkstheaters Heimathafen am Pier 9 geschlüpft, um das Stück
„Und jetzt
bitte in die Kamera“ zu erleben.
Der syrische
Autor Mohammad
Al Atta nimmt das Puplikum, dass gerade aus dem
lebendig-bunten Hauptstadttreiben kommt, mit in eine Welt, die wir
gern in unsere TV-Geräte gesperrt ließen. Syrien – Gewalt –
Angst – weltweite Unruhen
„Damaskus
2012. Noura entscheidet sich, die Erfahrungen von Gefängnisinsassen
des Assad-Regimes mit der Kamera zu dokumentieren. Es soll ihr
Beitrag zur Revolte werden. Doch was bedeutet „dokumentieren“ in
dieser Situation? Durch die Kamera verschwimmt die Grenze zwischen
Realität und Fiktion. Die persönlichen Erzählungen fordern mehr
von Noura als erwartet und sie ist hin- und hergerissen zwischen
Idealismus, Neugier, Empathie und wachsender Angst. Die
Auseinandersetzung mit den Häftlingen einerseits und ihrer
gutbürgerlichen, regimetreuen Familie andererseits lassen sie ahnen,
welche brutalen Konflikte noch bevorstehen. Wie weit wird sie gehen?“
Ich
war übrigens auch in der Probebühne und hatte das Gefühl, als säße
Gott direkt neben mir.
Alle meine
mitgebrachten Klischeevorurteile über politisches Theater musste ich
schnell entsorgen.
Ich habe
großes Theater erlebt, dass unter die Haut, direkt in die fragende
Seele geht.
Da sagt ein
junger Mann vor der Kamera, dass er gerade in dieser schrecklichen
Situation der Ohnmacht und des Leidens erstmalig so klare Gedanken
gehabt habe wie nie zuvor.
Es hört sich
für mich bekannt an, wenn er entdeckt, dort unter Schmerzen leidend
und allein komme er zu unfassbar neuen Gedanken über sich selbst.
Auch der Hass
gegenüber seinen Folterknechten hielte sich merkwürdigerweise in
Grenzen.
Er begreife
etwas von der Gefangenschaft auch der Wärter in einem
Schreckenssystem.
Auch hier in
Berlin sitzen viele Menschen in Gefängnissen fest: in JVA´s, in
unheilbaren Krankheiten, in zerbrochenen Lebenskonzepten... oder in
der Psychiartrie.
Es kommt
manchmal der Punkt, an dem Menschen entweder zerbrechen oder mutig
ganz neue Fragen stellen. Ich glaube, dass Gott in solchen Momenten
ganz nahe ist.
Aus meiner
ehrenamtlichen Arbeit in einer Berliner JVA weiß ich, dass dort auch
manchmal die Frage nach Gott nicht mehr umgangen werden kann...
In dem Stück
landet Noura am Ende selbst im Gefängnis, wo sie ihr älterer, gut
gestellter Bruder dank seiner Beziehungen besuchen darf. Die
Geschwister geraten wie gewohnt auch dort aneinander, haben das
Gefühl Einer verstehe den Anderen nicht.
Noura
schleudert dem Bruder heftig erregt entgegen: Vielleicht sollte
unsere ganze Familie mal hier her kommen...vielleicht könne man dann
endlich mal über die Dinge reden, die mit so viel Mühe vertuscht
wurden.
Ich selbst
würde gern mal mit Gott über den „Arabischen Frühlig“ reden,
oder über Kinderhospitze, oder über Hiob...
Und ich würde
auch gern mit all den Menschen reden, die keine Ahnung von der
revolutionären Kraft der Liebe Gottes haben.
Die Liebe, die
heilen und so verändern kann, dass Wahrheit-erkennen und -sagen zur
Befreiung werden kann.
Also ich
denke, dass Gott auch im Theater sitzen kann oder im Knast oder bei
dir im Wohnzimmer.
Gisela Henning
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