Jetzt...es
ist 1:30, schlägt gerade die Stunde der Wahrheit im Knast.
Wenn
die Türen geschlossen sind und keine Geräusche mehr aus den anderen
Hafträumen die Gefühle ablenken können, dann drängen Fragen
brutal in lieb gewordene Verdrängungen.
Bis
23:00 mag man noch an den Plänen für „Nachher“ gefeilt haben,
mag man die Kontakte des Hofganges ausgewertet haben, mag man gute
Ideen für´s Punktesammeln gehabt haben, um demnächst als
Vertrauenswürdig zu gelten.
Doch
spätestens um 0:00 fällt das Kartengerüst und eine verborgene
Träne weiß nicht wohin...
Auch
wir Gutbürger hier draußen erkennen manchmal den Knast, der sich um
unser gut gehütetes Leben aufbaut.
Es
ist, als würden manche Türen zu echtem Leben verschlossen bleiben.
Es
ist, als wäre man gefangen in unabänderlichen Abläufen.
Es
ist, als würden Wächter nicht zulassen, dass wir das Haupttor durch
schreiten, als freie Bürger des Lebens.
Doch
das Leben ist möglich, wenn ich mich auf das größte Wagnis
einlasse.
Wenn
ich mich einlasse, bedingungslos zu lieben.
Wenn
ich es wage, verschwenderisch großzügig beim Vergeben zu sein.
Wenn
ich es wage, nichts nach zu tragen, statt dessen immer wieder neu zu
hoffen.
Wenn
ich das Beleidigtsein als Ballast erkannt habe.
Dann,
nur dann gelingt das, worum Philosophen und Staatsmänner sich
vergeblich bemühen – dann gelingt das Leben!
...sogar
das Leben im Knast.
Gisela Henning
Gisela Henning
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